Station 7
Das leere Grab
Zwei Tage sind vergangen, seit sie Jesus ans Kreuz geschlagen haben. Es fühlt sich an, als hätte sich ein schwerer, dunkler Vorhang über das Haus meines Onkels gelegt. Ohne Freude verrichten wir unsere Arbeit. Ich kann es immer noch nicht glauben: Jesus ist tot.
Am Vormittag helfe ich meiner Tante beim Waschen. Gerade, als wir ein Laken im Hof auswringen, klopft es ans Tor. Zwei Frauen stehen davor. Ich kenne sie: es sind Maria von Magdala und Maria, die Mutter von Jesus. Sie gehören zu den Jüngerinnen von Jesus. Sie waren gestern schon bei uns. Sie wollten von meinem Onkel das beste Salböl kaufen, das er hatte. Sie wollten damit den Leichnam von Jesus salben. So ist es bei uns üblich. Als mein Onkel hörte, wofür sie das Salböl brauchen, wollte er kein Geld dafür haben. Er hat es ihnen geschenkt.
Jetzt stehen die beiden Frauen bei uns im Hof. Ihre Gesichter sind fast so weiß wie das Laken, das meine Tante und ich in den Händen halten. „Was ist denn mit euch los?“, fragt meine Tante sie besorgt. Sie drückt mir das nasse Laken in die Arme und macht den Frauen ein Zeichen, dass sie sich setzen sollen.
„Heute Morgen, noch vor Sonnenaufgang, haben wir uns auf den Weg zum Felsengrab gemacht. Ihr wisst schon, das Grab, in das sie Jesu Leichnam gelegt haben“, beginnt Maria von Magdala zu erzählen. „Wir hatten euer gutes Salböl dabei, um Jesus zu salben und ihm damit die letzte Ehre zu erweisen. Auf dem Weg haben wir uns gefragt, wie wir eigentlich in das Grab hineinkommen sollen. Die Männer hatten doch einen schweren Stein vor das Felsengrab geschoben, um es zu verschließen.“ „Ja, daran hatten wir vor lauter Traurigkeit gar nicht gedacht“, fügt die andere Maria hinzu. „Aber als wir zum Grab gekommen sind, haben wir gesehen, dass der Eingang offen war. Jemand hatte den Stein weggeschoben.“ „Zuerst haben wir uns nicht getraut, in das Grab hineinzugehen. Aber dann sind wir doch hineingegangen. Niemand war in dem Grab. Der Stein, auf den sie den toten Jesus gelegt hatten, war leer. Naja, fast leer. Nur das Leintuch, in das sein Leichnam gewickelt gewesen war, lag noch dort.“ „Als wir wieder herausgetreten sind, stand plötzlich eine Gestalt vor uns. Ganz in weiß war sie gekleidet und geleuchtet hat sie. Und sie hat zu uns gesagt: „Fürchtet euch nicht. Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier. Gott hat ihn von den Toten auferweckt. “
Fast vergesse ich zu atmen, während ich den beiden Frauen zuhöre. Das Grab von Jesus war leer? Gott hat Jesus von den Toten auferweckt? Ich blicke in die Gesichter der beiden Frauen. Sie sind immer noch ganz blass. Maria von Magdala zittert sogar ein wenig. „Was hat das zu bedeuten?“, frage ich. Meine Tante schaut mich nachdenklich an: „Es bedeutet, dass Jesus lebt.“ Sie lächelt. Und dann lächelt auch Maria von Magdala.
Und dann Maria, die Mutter von Jesus. Und auch ich muss lächeln.
„Ja, es bedeutet, dass Jesus lebt.“